Sektion III: Anthropologie – Ethik

Die Medizin im weitesten Sinne hat die Physik als Leitwissenschaft abgelöst. Schlagworte wie Gentechnik, Klonen, künstliches Leben sind Anzeichen für das große öffentliche Interesse an den grundlegenden Fragen, die sich nach den Fortschritten der Wissenschaft neu zu stellen scheinen. Die Diskussionen um die Ausbreitung von AIDS, um Hirnforschung und Willensfreiheit aber auch um die Überalterung der Gesellschaft und daraus resultierende Forderungen an die Medizin haben ihren festen Platz im Feuilleton. Tatsächlich begegnet der Großteil der Gesellschaft den im engeren Sinne kulturellen Auswirkungen des wissenschaftlichen Wandels lange bevor er mit deren konkreten (medizinischen) Ergebnissen in Berührung kommt – wenn überhaupt. Die große Aufmerksamkeit für einzelne Forschungsergebnisse und Phänomene kommt zustande, weil zentrale Interessen jedes einzelnen und der Gesellschaft zugleich betroffen werden: das tradierte Selbstverständnis der Individuen und die Regeln ihres Zusammenlebens scheinen in Frage gestellt. Unter diesen gewandelten anthropologischen Voraussetzungen wird auch der Streit um die Konzeption des klassischen Subjekts, der einen Höhepunkt in den 60er und 70er Jahren hatte, erneut aufgegriffen.

Dieses Phänomen korrespondiert das zunehmende Bewusstsein für die gesellschaftliche Bedeutung ästhetischer Artefakte und künstlerischer Repräsentation in den Geisteswissenschaften, der sog. cultural turn. In diesen Zusammenhang gehören nicht nur neue thematische, sondern vor allem auch methodische Orientierungen. Dennoch liegt Themenauswahl und Schwerpunktsetzung dieses Arbeitsbereiches die Annahme zugrunde, dass die Geisteswissenschaften nicht nur eine lange Tradition der Beschäftigung mit genau solchen ethischen Problemstellungen besitzen, wie sie derzeit dringlich erscheinen, sondern auch über ein lange etabliertes und bewährtes Instrumentarium zu ihrer Aufarbeitung verfügt.

Themenkomplexe

  • Körperkonzepte
  • Biopolitik und Bioethik als politisch-kulturelle Konzepte
  • Zum Begriff Verantwortung. Hirnforschung und Willensfreiheit
  • Gentechnik und Entwürfe des Posthumanen
  • Theorie des Souveräns und des Ausnahmezustands (Agamben/Schmitt)
  • medizinische und literarische Krankheitsbilder (AIDS, Alzheimer)
  • Tod und Sterben als kulturelles Phänomen
  • biologische, technische und metaphorische Netzwerke
  • Wandel und Konstanz der Melancholie-Vorstellungen
  • Erzählen als anthropologische Konstante
  • Forschung in der Kunst. Mediale Präsentationen und fiktive Prognosen (SF, Phantastik, bes. Film)

Ansprechpartner

  • PD Dr. Holger Helbig
  • Dr. Markus May